Das Märchen vom Flughafen

Es war einmal ein kleines Land im hohen Norden, das den Anschluss an die große weite Welt suchte. Dort lebten viele liebenswerte Zwerge. Einige von ihnen waren sehr ehrgeizig. "Immer nur Kühe und Strand- körbe!" – Das war den Mächtigen in der kleinen großen Stadt nicht fein genug.

"Was andere können, das können wir schon lange!" sagte die Mutter des Zwergenlandes und blickte neidisch nach Süden in die große große Stadt. Die hatten wirklich alles: einen großen Bahnhof, einen großen Hafen und vor allem einen großen Flugplatz. Das ärgerte sie besonders, denn jedesmal wenn sie Besuch aus anderen Ländern oder Städten bekam, musste sie sich folgendes anhören: "Was habt ihr hier im Norden nur für einen kleinen Flugplatz? Der reicht ja gerade mal für Möwen und Hornissen!"

Die Mächtigen in der kleinen großen Stadt waren sich einig: das muss geändert werden, um bequemer in die große weite Welt zu kommen. Aber da gab es noch die anderen Zwerge, die gerne in der kleinen großen Stadt lebten. Die hatten sich an die Linien-Möwen auf dem Flugplatz gewöhnt. Und auch die Rettungs-Hornissen störten sie nicht, da sie wussten, dass diese nur Lärm machten, um anderen in Not geratenen Zwergen zu helfen.

Eines Tages hatten die Mächtigen in der kleinen großen Stadt einen Plan: Wenn schlaue Leute aus dem tiefen Süden ein dickes Buch schreiben und darin sagen, dass alles viel schöner wird, wenn aus dem kleinen Flugplatz ein großer Flughafen wird, dann werden alle Menschen in der kleinen großen Stadt glücklich und zufrieden sein.

Nach vielen Monaten hatten die schlauen Leute aus dem Süden ihr dickes Buch mit vielen Seiten fertig geschrieben. Sie sagten, dass schon bald die Möwen nicht mehr auf dem Flugplatz starten und landen könnten. Der Trend gehe in der großen weiten Welt zu größeren Albatrossen, die eine viel, viel längere Start- und Landebahn brauchen würden. Und wenn schon die Albatrosse dort starten und landen könnten, warum nicht auch noch Adler und Geier. Für diese müsste nur noch ein großer Adlerhorst errichtet werden. Dann könnten viele Zwergenfamilien aus der kleinen großen Stadt direkt in den tiefen Süden reisen. Außerdem wären Adler und Geier viel leiser als die nervigen Möwen.

Die Zwerge in der Stadt hörten sich alles genau an, was man ihnen sagte. Dann schauten sie sich das Buch genauer an und fragten sich: "Stimmt das mit den Albatrossen, Adlern und Geiern wirklich?" Schließlich erfuhren sie, wieviel sie alle zusammen für die Start- und Landebahn und den nagelneuen Adlerhorst bezahlen sollten. Da mussten viele viele Zwergenfamilien lange für stricken und konnten sich trotzdem keine Reise mit "Adler-Airlines" oder "Geierhansa" in den Süden leisten.

Sie erfuhren auch, dass ihr Zwergendorf in zwei Teile geteilt und nur noch über einen Maulwurfsgang miteinander verbunden sein sollte. Außerdem waren Adler und Geier wohl doch nicht so leise, wie man es ihnen versprochen hatte. In der Zwergenschule am Flugplatz machte man sich deshalb große Sorgen.

Da taten sich die Zwergen zusammen und gründeten den "Zwergen-Verein gegen die Startbahnverlängerung". Das ärgerte die Mächtigen in der kleinen großen Stadt ganz gewaltig. "Zwerge sind eben doch nur Zwerge!" sagten sie in der Zeitung "Zwergen-Nachrichten". Dabei stellten sie sich auf die Zehenspitzen, um deutlich größer als die anderen Zwerge zu erscheinen.

Doch dann sagten die Zwerge zu den Mächtigen: "Zahlt ihr doch alleine für den großen Adlerhorst. Wir brauchen ihn nicht!" Da sahen die Mächtigen ein, dass man die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte. Sie schimpften auf die schlauen Leute aus dem Süden mit dem dicken Buch und jagten sie aus dem kleinen Land.

Seitdem leben die Zwerge wieder glücklich und zufrieden in der kleinen großen Stadt. Als viele Jahre später die Möwen und Hornissen immer noch über dem Flugplatz kreisten, merkten alle Zwerge, dass sie fast hereingelegt worden wären.